Rørvik-Ørnes

In Rørvik erwarten wir Andi. Seine Anreise wird durch Flugpersonalstreik, Bus, Zug und Schnellfähre lang und herausfordernd.  Umso mehr freut es uns, ihn am Hafen in Rørvik abholen zu können.

Schon am nächsten Morgen heisst es wieder Leinen los, bei sonnigem Wetter starten wir die 180sm bis Bodø. Eine Küste mit vielen hohen Gipfeln, die Baumgrenze liegt immer tiefer, nur noch etwa 2-300m ü M.  Es fühlt sich an, als würden wir durch die Alpen segeln. In der unendlichen Weite und einsamen Schönheit fühlen wir uns klein. Vor der Küste liegen rund 14 000 Inseln, einige kaum mehr als ein Fels mit ein paar Grasbüscheln, andere gross, mit bis zu 1000m hochragenden Felsen mit Schneeflecken.

Die Insel Leka, mit ihren schroffen Felsen, die in verschiedenen Rot-bis Gelbtönen schimmern, umrunden wir und sehen schon bald den sagenumwobenen Berg Torghattan. Er sieht aus wie ein Hut. Am nächsten Morgen können wir das Loch im Berg gut erkennen, welches der Pfeil des «Jungmannen» auf der Verfolgung der Jungfrauen im Hut des Königs hinterlassen hat. In Brønøysund, der geographischen Mitte zwischen dem Nordkap und dem südlichsten Punkt Norwegens, jeweils 840km Luftlinie, machen wir einen Tankstopp.

In Tjøtta, einem kleinen idyllisch gelegener Hafen machen wir fest. Unser Abendspaziergang führt  hoch zu einem Gedenkstein für die auf See gebliebenen Fischer. Von dort aus geniessen wir einen eindrucksvollen Rundblick über die ganze Bucht und die Schären. Im goldenen Licht der untergehenden Sonne wird alles noch schöner. Auch können wir das Ambulanzschiff beobachten, welches in Tjøtta stationiert ist und an diesem Tag mehrfach ausläuft, um auf einer fernen Insel medizinische Unterstützung zu bieten oder Personen für den Weitertransport ins nächste Spital abzuholen.

Auf der Fahrt nach Herøy passieren wir eine Bucht mit einer Kirche und einem sehr auffälligen Gebäude. Abseits vom Hauptfahrwasser machen wir am gut ausgebauten Landungssteg fest. Ein paar Schritte weiter stehen wir vor einer grösseren Steinkirche und dem futuristischen „Petter Dass“-Museum. Damit das Gebäude gebaut werden konnte, musste der Fels abgetragen werden. Die Schnittflächen wurden poliert, was heute eine eindrückliche Einsicht in die Geologie erlaubt. Ob die Worte diese dichtenden Theologen aus dem 17. Jahrhundert auch so eine Sprengkraft hatten?

Durch die diesige Landschaft gleiten wir gemächlich unter Motor nach Herøy. Vor der engen Hafeneinfahrt werfen Matthias und Andi die Angeln aus. Keine drei Minuten später hängen drei stattliche Dorsche an den Haken. Nun wird’s hektisch, Fische töten und ausnehmen, Fotos machen, steuern nicht vergessen und den Fähren ausweichen. Nach einem kniffligen Hafenmanöver im Regen, filettieren wir unsere Beute und werden zweimal davon satt. Auch am nächsten Morgen zeigen sich die «Sieben Schwestern», die markanten Berge der Helgelandküste, züchtig wolkenverhüllt.

In Sandnessjøn treffen wir Bob aus England, der seit rund 20 Jahren jeden Sommer mit seiner ca. 5m Schwert-Jolle in den hohen Breitengraden unterwegs ist. Seine Törns, die er in einem grossen norwegischen Atlas einzeichnet, sehen wie grosse Spinnennetze aus. Nach diesen Ausführungen wissen wir mit Sicherheit, dass wir richtig entschieden haben, die lange Reise hierher anzutreten.

Bei wunderbarem Sommerwetter überqueren wir am 24.8.22 um 11.50 den Polarkreis und sehen über den Berggipfelkette die weisse Schnee- und Eiskappe des Svartisengletschers leuchten. Auf einem Spaziergang auf der Insel Rødøya geniessen wir den Rundblick über die Schären.

Andi´s Ferien sind schon zu Ende, ab Örnes beginnt er seine Rückreise mit der Schnellfähre und weiter mit dem Zug. Solche Abschiede nach gemeinsamen schönen Tagen stimmen uns immer etwas traurig.

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